Lernen bringt’s.

Wie Lernblockaden das Lernen verhindern.

Jeder Mensch ist von Natur aus ein lernendes Wesen. Gleich nach der Geburt beginnen wir damit und hören erst auf, wenn wir sterben. Wir lernen immer, auch wenn wir es nicht bemerken. Lernen geschieht oft unbewusst, ganz einfach so. Wir erwerben Wissen und Fähigkeiten, Schritt für Schritt, ein Leben lang. Dabei sind leider oft auch Dinge, die uns scheinbar gar nicht gut bekommen. Wir lernen nämlich auch, uns zu verstecken, schlecht über uns zu denken und an manchen Stellen zu blockieren, ohne es bewusst zu wollen. Wir entwickeln Lernblockaden.

Lernkompetenz ist immer da, sie kann aber im Gestrüpp des Alltags unsichtbar werden. So können wir das Gefühl haben, wir könnten gar nicht lernen bzw. hätten nie gelernt zu lernen. Lernblockaden sind wie verschlossene Türen zu dem, was wir eigentlich zu leisten im Stande sind. Wenn wir durch diese Türen gehen, können wir werden, was wir wollen.

Lernblockaden verstehen.

In der Neurowissenschaft sprechen wir von drei zentralen Verhaltensweisen, die unsere Fähigkeit, zu lernen und uns zu entwickeln, ziemlich heftig ausbremsen können. Es sind Lernblockaden, die sich auf verschiedene Lebensbereiche auswirken. Sie beeinflussen 1. das Denken, 2. das Fühlen und 3. den Antrieb, sprich: den Willen, unsere Fähigkeiten zu verbessern.

1. Lernblockade – das Denken.

Lernblockade Nummer 1 bezieht sich auf das Denken und wird fehlende Anschlussfähigkeit genannt. Anschlussfähigkeit bedeutet, dass ich das, was ich neu lernen will, mit dem verbinden kann, was ich schon weiß. Das ist notwendig, damit Informationen vom Kurzzeitgedächtnis ins Langzeitgedächtnis wandern können. Indem ich mir klar mache, was ich schon über ein Thema weiß, suche ich unbewusst schon mal den „Ort“ im Gehirn, wo ich die Information später ablegen kann – und sie auch wiederfinde. Das schafft Ordnung und ermöglicht mir, immer neue Dinge zu einem Thema zu erfahren und zu speichern. Sonst sieht es im Gehirn aus, wie in einem Zimmer, in das ständig neue Dinge gestellt werden, in dem aber nie jemand aufräumt und man demzufolge nichts mehr wiederfindet. Übertragen auf das Gehirn heißt das: Ordnung schaffen verbessert das Erinnerungsvermögen.

Wer also feststellt, dass es ihm schwer fällt, sich Dinge zu merken, kann bewusst Vorwissen aktivieren und Gedächtnistechniken – zum Beispiel Eselsbrücken – anwenden. Der Schatz, der sich hinter dieser Tür verbirgt, ist, die eigene Merkfähigkeit zu verbessern.

Wo leben eigentlich Eisbären und Pinguine?

Bei Inhalten, die ich noch gar nicht kenne, kann ich mein Vorwissen nutzen, indem ich mir „Eselsbrücken“ baue. Pinguine und Eisbären zum Beispiel werden sich vermutlich niemals in freier Wildbahn begegnen. Denn der eine wohnt am Nordpol, der andere am Südpol. Um sich zu merken, wer jetzt wo wohnt, denke ich daran, dass der Bär ein „R“ hat, genauso wie Norden. Und Pinguine sind süß und „süß“ beginnt wie Süden. Das ist zum Beispiel eine Eselsbrücke, die ich mir gebaut habe, um mir zu merken, wo Eisbären und Pinguine leben. Und das habe ich behalten. Eselsbrücken sind einfache Gedächtnistechniken, aber überaus wirksam.

2. Lernblockade – das Fühlen.

Lernblockade Nummer 2 bezieht sich auf das Fühlen – die Emotionen – und wird fehlende Kontextualisierung genannt. Das heißt, neues Wissen wird in den Kontext (das Umfeld) vorhandenen Wissens eingebettet. Emotionen beflügeln das Lernen – oder können es komplett verhindern. Emotionen können nämlich dazu führen, dass der Zugang zum Gedächtnis komplett blockiert ist und nichts „eingebettet“ werden kann, weil Stresshormone das Gehirn beeinträchtigen. Das kann zum Beispiel in Prüfungen verheerende Auswirkungen haben.

Oft ist es nicht die Menge an Stoff, die in Prüfungen zur Belastung wird, sondern die Gedanken, die wir uns über uns selbst machen. Es sind Glaubenssätze, die wir irgendwann einmal gespeichert haben. In der Regel bestehen sie schon so lange, dass wir gar nicht mehr wissen, wann und wie sie entstanden sind. Sie haben sich in unserer Gedankenwelt eingenistet und treten erst in Erscheinung, wenn wir Stress bekommen, zum Beispiel in einer Prüfung oder in angespannten Lebenssituationen.

Falsche Glaubenssätze.

Falsche Glaubenssätze machen uns keinen Mut, sondern bewirken das Gegenteil. Sie teilen uns auf subtile Weise mit, dass wir es nicht schaffen können oder dass wir zu dumm sind. Was tun? Hinderliche Glaubenssätze gehören erkannt, anerkannt – und entsorgt. Unser eigentliches Potenzial ist darunter verborgen. Und wem es schwer fällt, sich klare Gedanken über seine offenen und verborgenen Glaubenssätze zu machen, dem kann ein Coaching helfen, Gefühle und Situationen zu klären.

Wie gesagt: Unsere ursprüngliche Lernkompetenz ist immer vorhanden. Und das ist der große Schatz, der hinter dieser Tür verborgen liegt. Wenn es uns gelingt, durch diese Tür zu gehen, entdecken wir unsere Freude am Lernen wieder und das großartige Gefühl, alles das lernen zu können, was wir uns wünschen.

3. Lernblockade – der Antrieb

Lernblockade Nummer 3 bezieht sich auf den Antrieb, also den Willen, Fähigkeiten zu verbessern, und wird fehlende Nutzungsfähigkeit genannt. Nutzungsfähigkeit bedeutet, dass wir Informationen benutzen. Ich stelle mir das wie eine Tür vor, die offen ist. Ich muss durch diese Tür gehen, um den sich dahinter verbergenden Schatz zu erkennen. Tue ich das nicht, bleibt der Schatz – mein Potenzial – unsichtbar und wirkungslos. „Durch die Tür gehen“ ist ein kleiner Willensakt mit großer Wirkung.

Gelerntes Wissen muss in irgendeiner Weise in die Tat umgesetzt werden. Es will be- und genutzt werden. Denken Sie nur an Sprachen, die Sie einmal gelernt haben – und die Sie dann nicht benutzt haben … Sie haben sie vergessen. Und wie viel Spaß macht es, wenn es nach einiger Zeit aktiven Übens dann doch wieder funktioniert mit der Unterhaltung in einer fremden Sprache? Wissen zu benutzen, ist sehr bereichernd.

Das Langzeitgedächtnis füllen.

Gelerntes zu benutzen, führt dazu, dass wir unser Langzeitgedächtnis mit neuen Informationen füllen. Eigentlich geht  kein Weg daran vorbei, sein Wissen auch anzuwenden, sprich: zu üben, wenn man es dauerhaft zur Verfügung haben möchte.

Ein unter Schülerinnen und Schülern – vor allem in der Mittel- und Oberstufe – weit verbreiteter (Irr-)Glaube ist, dass es ausreicht, Inhalte verstanden zu haben und sie nur kurz vor einer Arbeit noch einmal anzuschauen. Das mag kurzfristig helfen, zu dauerhaft verfügbarem Wissen wird das so „Gelernte“ nicht. Der Langzeitspeicher bleibt leer.

Der Schatz hinter dieser Tür heißt, neue Seiten der eigenen Fähigkeiten kennen zu lernen. Das stärkt die intrinsische Motivation (von innen heraus, aus eigenem Antrieb), weil man in die Lage kommt, aus sich selbst heraus handeln zu können, anstatt nur von außen getrieben zu werden.

Fazit: Lernblockaden weisen auf Wachstumspotenziale hin.

Lernblockaden erzählen uns viel über uns selbst. Sie weisen uns darauf hin, an welchen Stellen unser Wachstumspotenzial liegt bzw. sich verbirgt. Wenn es uns gelingt, über diese verborgenen Schätze Klarheit zu gewinnen, steht uns nichts mehr im Wege, unsere persönlichen Ziele zu erreichen.

In diesem Sinne: Lernen bringt’s.

Monika Kollewijn-von Herz